Corona: Was tut die Caritas Hannover? Interview mit Dr. Andreas Schubert
Welche Maßnahmen wurden getroffen, um die Mitarbeitenden und Hilfesuchenden zu schützen?
Bereits als die ersten Erkrankungen in Deutschland bestätigt wurden, haben wir unseren Arbeitskreis Arbeitsschutz und Sicherheit ausgebaut. Dieser setzt alle Empfehlungen des Robert Koch Instituts konsequent um. Alle Teams wurden schnellstmöglich mit Informationen versorgt und gebeten, Maßnahmenpläne zu erarbeiten. Generell ist das unsere grundlegendste Maßnahme: Alle Mitarbeitenden werden durchgehend über die wichtigsten Entwicklungen informiert, damit wir auf der gleichen Basis Entscheidungen treffen können.
Kindertagesstätten und Einrichtungen der offenen Tür sind geschlossen. Nicht-Kerndienste der Caritas schränken den Publikumsverkehr ein und alle Beratungen finden nur noch telefonisch statt. Das Ganze trifft uns mitten in einer groß angelegten EDV-Umstellung; aber bislang sind wir auf einem guten Weg.
Wir besprechen aktuell mit der Mitarbeitervertretung eine Dienstvereinbarung, um den außerordentlichen Beitrag der Dienstgemeinschaft in dieser Lage zu wertschätzen. Für uns ist klar: Urlaubstage werden nicht angerührt, Minusstunden nicht angerechnet. Wir sind ein soziales Unternehmen, das unter wirtschaftlichen Zwängen steht. Mir ist es jedoch wichtig, dass wir unseren Mitarbeitenden zeigen, dass sie an erster Stelle stehen!
Werden alle Hilfsangebote der Caritas in Stadt und Region aufrechterhalten?
Zunächst zwingen wir niemanden, den Dienst wie gehabt zu verrichten. Der Schutz unserer Mitarbeitenden steht an erster Stelle. Alle Mitarbeitenden, die selbst zur Risikogruppe gehören oder Verwandte im nahen Umfeld haben, die es zu schützen gilt, können konsequent im Home-Office arbeiten. Mitarbeitenden mit Kindern wird ebenfalls eine individuelle Betreuungsmöglichkeit ermöglicht, die ganz klar ausschließt, die Großeltern dafür zu aktivieren. Das entspricht ebenfalls der Empfehlung des Robert Koch Instituts. Insbesondere wegen der Schulschließungen nehmen wir diesen Aspekt in den Blick.
Unsere Verantwortung gegenüber Hilfesuchenden hat aber auch in dieser Krise bestand. Die Dienste der Wohnungslosenhilfe, insbesondere die medizinische Versorgung über unsere Institutsambulanz und die mobile Straßenambulanz erfolgen weiterhin. Zusätzlich arbeiten wir konsequent daran, in Kürze eine bereits geplante Krankenwohnung für Wohnungslose zu eröffnen. In unseren drei Wohnheimen für Geflüchtete wurden Maßnahmen ergriffen, um alle Bewohner*innen und die Teams zu schützen. Bei den zentralen Diensten haben wir Lohn- und Gehaltsabrechnung als Kernprozess definiert. Auch diese laufen uneingeschränkt weiter.
Ich bin sehr dankbar für die große Solidarität und den starken Zusammenhalt unserer Dienstgemeinschaft. Die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen zeigen gerade wieder, dass Caritas eine Haltung ist und nicht nur ein Arbeitgeber. Danke!
Viele Menschen machen sich Sorgen, um Menschen am Rande unserer Gesellschaft: Gibt es Pläne wie insbesondere Wohnungslose geschützt werden können?
Die Sorge ist berechtigt und auch wir haben intensiv darüber beraten, wie die medizinische Versorgung von obdach- und wohnungslosen Menschen gewährleistet werden kann. Besonders für diejenigen, die sich mit dem Virus infizieren. Unsere Planung sieht wie gesagt vor, dass die niedrigschwelligen Hilfsangebote der Wohnungslosenhilfe und die Straßenambulanz ihren Dienst so lange es möglich ist, aufrecht erhalten. Wir müssen natürlich die Sicherheit der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewährleisten. Dafür optimieren wir weiterhin die Beschaffungswege für Hygienematerial. Masken und Desinfektionsmittel zu beschaffen, ist für die meisten Menschen völlig unnötig. Bei der Straßenambulanz retten sie Leben.
In der Versorgung wohnungsloser Menschen sind wir daher aktuell besonders auf Hilfe durch finanzielle Spenden angewiesen. Denn verständlicherweise brechen uns bisherige Sachspenden weg, da die Menschen sich nicht mehr auf den Weg machen. [Anmerkung der Redaktion: Sie können für die Wohnungslosenhilfe unter diesem Link online spenden. Danke!]
Auch die Kindertagesstätten der Caritas wurden geschlossen. Gibt es Notgruppen? Und wie sind diese besetzt?
Wir haben Notgruppen gemäß der Landesverordnung eingerichtet und besetzt. Die Empfehlungen sind extrem hilfreich und ermöglichen es uns, zielgerichtet zu arbeiten. Eltern wenden sich bitte an die jeweiligen Einrichtungsleitungen, um Details zu erfragen. Wir versuchen telefonische Erreichbarkeit soweit es geht zu gewährleisten.
Gibt es Mitarbeitende, die infiziert wurden?
Nach aktuellem Kenntnisstand gibt es keine bestätigten Fälle. Bereits vor der Entscheidung auf Landesebene haben wir erkrankte Mitarbeitende ohne ärztliche Bescheinigung freigestellt. Wir bitten alle Mitarbeitenden bei jeglichen Symptomen zu Hause zu bleiben. Ihre Gesundheit geht vor - bei jeder Erkrankung.
Wie gehen Sie persönlich mit der aktuellen Situation um?
Ich denke, wir sehen gerade in einer solchen Krise, dass viele Menschen den gleichen Wunsch haben: Dort zu helfen, wo sie können. Meine Frau ist als Notfallseelsorge bei der freiwilligen Feuerwehr aktiv und ich persönlich übernehme fünf Dienste als Notfallsanitäter in meiner Heimatgemeinde. Zusätzlich natürlich Hände waschen, unnötige Sozialkontakte vermeiden und achtsam sein. Wenn wir uns als Gesellschaft solidarisch zeigen, überstehen wir nicht nur die aktuelle Situation, sondern können auch jede Menge für die Zukunft mitnehmen. Solidarität kann eben auch ansteckend sein.