Worum geht es bei "Familien stärken” konkret? 

Sophia Wald: Wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt, ist die ganze Familie mitbetroffen. Viele Eltern stehen unter Schock und fragen sich: Sollen wir das Thema den Kindern gegenüber verheimlichen? Oder darüber sprechen? Aber wie? In so einer Ausnahmesituation fehlt oft die Kraft, elterliche Kompetenzen abzurufen. Hier setzt "Familien stärken” an: Eltern stärken, damit sie wiederum ihre Kinder stärken können. Da geht es darum, Wissen zu vermitteln und einen geschützten Raum für Sorgen, Fragen und Gefühle zu schaffen. Das entlastet. 

Wie sieht die Unterstützung konkret aus? 

Sophia Wald: Die Erstgespräche mit den erkrankten Eltern oder Bezugspersonen finden mit einer Berater:in des multiprofessionellen KBZ-Teams statt. Die sind psychoonkologisch qualifiziert und erfragen erstmal, inwieweit die Kinder der Erkrankten informiert sind. Unser gestuftes Konzept sieht vor, das die Bedarfe geklärt werden und im Erstgespräch die Eltern erste wichtige Informationen im Umgang mit den Kindern erhalten. Im Kinder- und Jugend Bereich erfolgen bei Wunsch und Bedarf weitere Elterngespräche und die Mitversorgung der Kinder und Jugendlichen, wenn es notwendig und gewünscht wird. Falls ja, werde ich in die Begleitung eingebunden. Da wir so eng zusammenarbeiten kann ich meist schon zeitnah telefonisch oder persönlich mit den Eltern in Kontakt treten. In diesen Elterngesprächen geht es darum, Sorgen offen auszusprechen, Fragen zu stellen und Informationen zu erhalten - etwa zur altersgerechten Kommunikation oder zu den aktuellen Entwicklungsschritten der Kinder. Mein Ziel ist es Sicherheit zu geben, wenn es darum geht mit den kindlichen Reaktionen umzugehen.  

Je nach Situation kommen auch die Kinder selbst hinzu. Jugendliche sind eher bereit, über ihre Gedanken und Gefühle zu sprechen. Bei jüngeren Kindern ist das schwieriger. Da braucht es Räume, in denen sie sich spielerisch ausdrücken können. Dabei entscheiden die Kinder erst einmal selbst, womit sie sich beschäftigen wollen: Manche nutzen kreativ die vielfältigen Spielmaterialien, andere laufen direkt zu den Kinderbüchern und wollen - ganz gezielt - etwas über das Thema Krebs erfahren. Wenn Wut dominiert, dürfen sie diese mit Schaumstoffkeulen rauslassen. Sind sie gerade eher zurückhaltend oder ängstlich, steht ein Rückzugszelt mit Kuscheldecken bereit. Es geht darum mit meiner Unterstützung, kindgerechte Wege zu finden, um Belastung zu verarbeiten.

Warum ist es in der psychoonkologischen Begleitung so wichtig, gerade die Kinder in den Blick zu nehmen? 

Sophia Wald: Eltern machen sich immer Sorgen um ihre Kinder. Bei einer Krebsdiagnose wird das nicht weniger. Neben der eigenen Angst steht oft die Frage im Raum: Was macht das mit meinem Kind? Wenn Eltern diese Sorgen nicht teilen können oder keine Antworten finden, kann das die Familiendynamik und damit auch die Bewältigung der Krankheit erschweren.  

 Durch Studien ist mittlerweile belegt, was Kinder in solch einer Ausnahmesituation benötigen und wie wir sie unterstützen können. Zum Beispiel sind Kinder im Grundschulalter besonders wissbegierig. Sie brauchen verständliches, altersgerechtes Faktenwissen. Denn wenn Lücken entstehen, füllt ihre lebhafte Fantasie sie häufig mit beängstigenden Vorstellungen. Dieses Wissen haben die allerwenigsten Eltern und genau sowas und wie sie es zur eigenen Entlastung einsetzen, lernen sie in den Terminen. 

Was motiviert Sie persönlich an dieser Arbeit? 

Sophia Wald: Ich komme aus der pädagogisch-psychotherapeutischen Arbeit. In der beratenden Tätigkeit hier setze ich früher, niedrigschwelliger und präventiv an.  Kinder entwickeln bei Erkrankung eines Elternteils nicht automatisch - wie häufig befürchtet - eine behandlungsbedürftige Symptomatik mit Krankheitswert.  Viele Reaktionen sind in Anbetracht der Krise Krebs angemessen. Dennoch ist der frühzeitige, gezielte Blick auf die Bedürfnisse der Kinder besonders wertvoll. Oft führen schon wenige Termine mit den Eltern oder Kindern zu einer sichtbaren Entlastung, Stabilisierung und Stärkung des Familiensystems. Die Dankbarkeit, die einem entgegengebracht wird, ist enorm. Das motiviert sehr.  

 Was mich auch motiviert ist die Zusammenarbeit im Team. Dass ich den Eltern auch bei Fragen außerhalb meines Fachbereichs direkt Hilfe vermitteln kann, ist ein großartiges Gefühl. Genauso vielfältig sind auch unsere Zielgruppen. Wir beraten Eltern, Großeltern, Geschwister, Freunde und eben nicht nur die Erkrankten selbst. Diese systemische Sichtweise bewirkt, dass sich das gesamte Umfeld der Erkrankten nach und nach stabilisiert. Einer Krebserkrankung kann man nur gemeinsam begegnen und daran teilzuhaben, gibt mir selbst sehr viel Kraft.